Wohnhaus Luise Hensel

1819 bis 1822 wohnte die Dichterin Luise Hensel (1798-1876) in dem Haus auf der Bilker Straße 14.

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Nachtgebet (1816)

Müde bin ich, geh zur Ruh,
schließe beide Äuglein zu.
Vater, lass die Augen dein
über meinem Bette sein.

Hab ich Unrecht heut getan
sieh es, lieber Gott, nicht an
deine Gnad und Jesu Blut
macht ja allen Schaden gut.

Alle, die mir sind verwandt
Gott, lass ruhn in deiner Hand
alle Menschen, groß und klein
Sollen dir befohlen sein.

Kranken Herzen sende Ruh
nasse Augen schließe zu.
Lass den Mond am Himmel stehen
und die stille Welt besehn!



Heimweh (1813)

Der Erde rauhe Winde,
Sie thun dem armen Kinde,
O Vater! gar zu weh.

Dort oben ist es linde,
Da ist kein Sturm, kein Schnee.
Mich zieht ein stetes Sehnen

Nach jenen reinern Tönen,
Nach jenem hellern Licht;
Die schmerzenvollen Thränen
Versiegen ewig nicht.

Das kalte Erdenleben
Kann mir doch gar nicht geben,
Was dieses Sehnen hemmt.
O laß mich aufwärts schweben!
Hier wird mir's gar zu fremd.

Woll'st, Vater! Deinen Reinen
Die Müde bald vereinen;
Hier kann ich nichts mehr thun.
Die Augen, matt vom Weinen,
Die laß im Grabe ruhn!

Aus: Louise Hensel: Lieder. Paderborn 1879.

Wohnhaus Luise Hensel

Luise Maria Hensel wurde am 30. März 1798 im brandenburgischen Linum als Tochter des dortigen Pfarrers geboren. Nach dessen Tod zog sie gemeinsam mit ihrer Mutter nach Berlin. Bereits im Alter von 14 Jahren schloss sie „heimlich mit Gott einen Pakt“; durch die enge Freundschaft mit Clemens Brentano näherte sie sich der katholischen Kirche an und konvertierte 1818 vom lutherischen zum katholischen Glauben. Die lange Freundschaft zu Brentano führte später zu dessen Entscheidung, Luise Hensel die Sichtung und Veröffentlichung seines literarischen Nachlasses zu übertragen.

1819 zog sie als Gesellschafterin der Fürstin Salm-Reifferscheidt-Krautheim nach Düsseldorf und lebte bis 1822 auf der Bilker Straße im Haus Nummer 14, in dem sich heute das Heinrich-Heine-Institut befindet. Die wenigen Düsseldorfer Jahre waren entscheidend für ihre religiöse Entwicklung und Weltsicht; am 6. März 1820 legte sie bei dem Jesuitenpater Heinrich Wüsten das Gelübde der Jungfräulichkeit ab.

Ab 1821 war Luise Hensel auf dem Gut Sondermühlen bei Melle Gesellschafterin der Witwe des Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg. Außerdem unterrichtete sie deren Töchter Maria Theresia, Amalie und Pauline.

Ab 1823 kümmerte sie sich in Wiedenbrück drei Jahre lang um den Sohn ihrer verstorbenen Schwester, leitete mit zwei Freundinnen das Bürgerhospital in Koblenz und arbeitete dann in verschiedenen Städten als Lehrerin und Erzieherin: Von 1833 bis 1837 lebte sie in Berlin und Dresden, danach bis 1840 im Stift Neuburg. 1841 zog sie nach Köln und gründete dort einen karitativen Kreis, das Armenkränzchen. 1853 ging sie nach Wiedenbrück und lebte dort mit Unterbrechungen bis 1872. Schließlich wohnte sie in Paderborn in der Nähe von Pauline von Mallinckrodt, ihrer Schülerin aus Aachener Zeiten. Dort starb sie am 18. Dezember 1876 im Westphalenhof und wurde auf dem Ostfriedhof in Paderborn unweit der Kapelle beigesetzt.

An dem Haus in der Bilker Straße 14 erinnert eine Gedenktafel mit dem Urnotensatz des bekannten Abendliedes „Müde bin ich, geh`zur Ruh“ an die ehemalige Bewohnerin. Die so friedlich und versöhnlich klingenden Zeilen des Textes entstanden 1817 während einer schweren Krankheit und lassen die Todessehnsucht der Autorin während dieser Zeit erahnen.